Samstag, 29. Oktober 2011

Hasenbrot


Der Duft von gekochtem Reis, warmer Kakao, oder Birnen im Herbst. Meistens sind es die ganz einfachen Dinge, die irgendwann in der Kindheit, gebunden an bestimmte Erinnerungen, einen geschmacklichen Abruck in unserem Leben hinterlassen haben. Als Geschenk an meinen Vater, der heute Geburtstag hat, möchte ich etwas über das "Hasenbrot" schreiben, das ihn an seine Kindheit erinnert, und von dessen warmem, wohligem Geschmack er uns erzählt hat. Und natürlich werde ich so ein Hasenbrot herstellen - nichts einfacher als das!
Wenn man das Internet nach "Hasenbrot" durchforstet, merkt man rasch, dass sich hinter diesem Begriff sehr Unterschiedliches verbirgt, unter anderem ein Binsengewächs; oder trockenes Brot, das man - klar - den Hasen zum Futter gibt.
In einer Berliner Bio-Bäckerei habe ich letztens ein Brot entdeckt, das ebenfalls Hasenbrot genannt wurde. Dabei handelte es sich um ein Brot, in dessen Teig Karottenschnipsel und Nüsse gemischt waren - also gewissermaßen die Leibspeisen von Hasen. Wobei ich mir gerade nicht mehr so sicher bin, ob Hasen Nüsse mögen. Aber ich vermute das.

Aber das Hasenbrot, nach dem ich suche, ist etwas völlig Anderes.
Es ist im Grunde ein zermatschtes, zerstörtes belegtes Brot. Jeder kennt diesen Anblick noch aus der eigenen Schulzeit: irgendwo, ganz unten im Schulranzen, unter Büchern und Federmappe verkeilt und zerquetscht, hängt ein vergessenes Pausenbrot. Verschmäht, weil irgendeine attraktivere Alternative in Form von Knoppers oder einer Tüte Haribo die Runde auf dem Schulhof machte.
Das Hasenbrot ist aber noch mehr als das.
Im Internet bin ich auf einige Unterhaltungen gestoßen, die, ganz ähnlich wie die Erzählungen meines Vaters, davon zeugen, dass das Besondere am Hasenbrot das gute Gefühl einer schönen Kindheitserinnerung ist. Ich habe des Öfteren gelesen, wie Menschen sich daran erinnern, dass sie es als Kinder geliebt hätten, die Pausenbrote zu essen, die Ihre Väter von der Arbeit unangetastet zurück nach Hause gebracht hatten.
Das hat mich irgendwie gefreut. Im Vergleich zur nordamerikanischen oder asiatischen Küche, in denen comfort food jeweils ein feststehender Begriff und kulinarisch regelrecht institutionalisiert ist, gibt es das nostalgisch-sentimentale Thema in der deutschen Küche zwar auch, aber doch bedeutend seltener. Was ein comfort food ausmacht, ist sein voller Geschmack, seine Schlichheit - und nicht zuletzt seine unkomplizierte Verfügbarkeit.

Klar, dass in Deutschland ein belegtes Brot das beste Zeugs zum comfort food hat: wo sonst schmecken Brote so gut wie in Deutschland? - vor allem, nachdem sie mehrere Stunden Zeit hatten, mit ihren Toppings zu legieren.
Doch das Entscheidende ist das Gefühl, mit dem so ein Hasenbrot belegt ist.
Meinen Vater erinnert es noch heute an seinen Onkel, auf dessen Hof er als Kind in der Nachkriegszeit gelebt hat. An das Landleben, die Arbeit auf dem Feld...schwierig, in kurzen Worten zu beschreiben, was für ein Sammelsurium an Erinnerungen und Gefühlen daran hängen mag...

Wesentlich leichter ist es, so ein Hasenbrot zu kochen. Ich wollte hier schon lange etwas über Butterbrote schreiben, weil mich daran der wahnsinnig gute Geschmack bei gleichzeitig extremer Schlichtheit so fasziniert. Bei dem Einkauf für das Hasenbrot bin ich übrigens auf Etwas gestoßen, von dem ich nicht wusste, dass es noch exisitiert: Butterbrotpapier! Das muss natürlich dazu.
Beim Brot habe ich mich für ein ziemlich kräftiges Roggenmischbrot entschieden - ich finde das hat einen ländlicheren Charakter. Was den Aufschnitt betrifft, sollte man ebenfalls etwas Rustikales wählen. Zum Einen weil ich mir nicht vorstellen kann, dass man, wenn man schon Pausenbrote mit zur Arbeit nimmt, ausgerechnet eine mit Paprika vermischte Joghurt-Creme als Aufstrich wählen würde - außerdem gab es so etwas Blödes früher bestimmt noch nicht. Zum Anderen ist das Interessante am Hasenbrot ja gerade der Fact, dass sich die "Zutaten" mehrere Stunden durchdringen: herzhafte Aufschnitte wie Käse, Leberwurst oder geräuchter Schinken eignen sich besser, weil sie ihr starkes Aroma viel besser an das Brot weitergeben können.
Und tatsächlich: Als ich das Hasenbrot nach 12 Stunden auspackte, stieg mir gleich dieser unverkennbare, super-leckere Duft in die Nase, den ich aus meiner eigenen Schulzeit kenne!
Während der 12 Stunden habe ich es zwischendurch übrigens öfters mal geknufft und ein bisschen massiert, um die Gewalteinwirkungen in einer Tasche, einem Ranzen, während eines Arbeitstages auf dem Feld etc. zu imitieren.

Das Hasenbrot hat wirklich exzellent geschmeckt. Man sollte eigentlich jedes Butterbrot zusammenklappen und für einige Stunden bei Zimmertemperatur liegen lassen: das gibt eine richtige Geschmacksexplosion. Das Einwickeln in Butterbrotpapier ist meiner Einschätzung nach unerlässlich. Es wahrt die Feuchtigkeit gibt aber auch überschüssige Feuchtigkeit ab. Ich werde das weiter verfolgen, aber ich bin schon jetzt davon überzeugt, dass das Ergebnis nicht so gut gewesen wäre, wenn ich das Brot in Plastikfolie eingewickelt hätte.

Für zwei Hasenbrote braucht man:

2 Scheiben Brot (am Besten eine Roggen-haltige, krustige Variante)
viel Butter
Aufschnitt nach Wahl (am Besten etwas Herzhaftes wie Käse, geräucherten Schinken etc)
Butterbrotpapier
Lagerung: mindestens 8 Stunden, bei gelegentlichem Massieren

Guten Appetit und Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Papa!

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