Ich werde oft gefragt, wie koreanische Küche denn so ist, was man in Korea so essen würde. Puuh... das ist immer die Horror-Frage für mich. Denn ich liebe koreanisches Essen und möchte gerne alle Menschen davon überzeugen, wie toll es ist - womit ich mir natürlich zuviel aufhalse und das stresst dann. Und dann fang ich sehr oft mit dem Fehler an, es chinesischer und japanischer Küche gegenüberzustellen und es damit zu vergleichen. Fehler deshalb, weil es hierzulande ja nicht unbedingt wimmelt von guten, repräsentativen chinesischen und japanischen Restaurants, und viele Leute also auch von diesen Länderküchen eigentlich falsche Vorstellungen haben. Außerdem hat Korea ja ohnehin einen Knacks weg, weil es eingepfercht zwischen China und Japan liegt, und praktisch keine freie Minute verbringt, ohne sich im Hinblick auf die Nachbarn zu rechtfertigen, zu profilieren, - und sich letztlich an Ihnen messen lassen zu müssen.
Und dann fang ich auch noch mit diesem Vergleich an.
Sei's drum.
Tatsächlich haben diese drei Länder kulturell und auch küchentechnisch natürlich mehr gemeinsam als beispielsweise Korea und... Luxemburg! Doch so weit muss man gar nicht gehen. Auch innerhalb Asiens lässt sich die Küche der nordöstlichen Länder wie Korea, das nord-östliche China und Japan abgrenzen von den Küchen der südasiatischen Länder wie Thailand, südliches China, Malaysia und so weiter. Es sind andere Zutaten, andere Geschmäcker, teilweise andere Zubereitungsarten - man kennt den Unterschied aus Europa mit seinen unterschiedlichen Regionen ja genauso.
Zurück nach Korea. Was sind die wichtigsten Facts, die man zu seiner Küche nennen sollte? Reis ist Grundnahrungsmittel*. Die bekanntesten koreanischen Gerichte wie Kimchi, Bulgogi und Bibimbab zeigen darüber hinaus: koreanische Küche ist ziemlich kräftig im Geschmack und größtenteils sehr scharf. Knoblauch, Chili, Ingwer und Sesam sind wohl die wichtigsten Gewürze. Koreanische Küche ist außerdem extrem vielseitig - es werden extrem viele unterschiedliche Zutaten verwendet, Saison und Region spielen eine sehr wichtige Rolle. Die Verwendung unterschiedlichster Sorten Gemüse, Kräuter, Fisch und Meeresfrüchte macht die koreanische Küche sehr leicht, sehr gesund. Außerdem zeigen die unzähligen koreanischen Websites zum Thema auch: die Küche entwickelt permanent neue Trends und greift Ideen und Einflüsse von Außen auf.
Zu Guter Letzt komme ich trotzdem noch kurz auf den China-Japan-Vergleich zurück (sorry), ein bisschen was an Erkenntnissen gibt er ja doch her. Viele Koreaner haben mir nämlich oft gesagt, dass sie zwar gerne mal Chinesisch und Japanisch essen, Ihnen das Chinesische auf die Dauer jedoch zu ölig und schwer sei, das Japanische aber zu süß und zu mild. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das kommt hin.
OK, soviel also zu dem, was man überall zu hören kriegt: koreanisch ist scharf, gesund, deftig, Bulgogi, Kimchi, Bibimbab, la la la
Was ist für mich das Typische an der koreanischen Küche?
Haben Sie jemals eine Muschelsuppe gegessen und ausgerufen: "wow, ist die aber erfrischend!"? Ich vermute, dass die Antwort "nein" ist. In Korea passieren Dinge dieser Art im Grunde ununterbrochen. Denn typisch koreanisch ist, dass Essen irgendwie belebend schmecken kann - erfrischend halt. Interessanterweise assoziiert man in Deutschland und Europa den erfrischenden Geschmack eher mit kalten, süßlichen und säuerlichen Dingen wie Coke, Mentos, bestenfalls Salat. In Korea sind Dinge erfrischend, wenn sie klar, scharf oder auch nach Meer schmecken. Ob sie kalt oder heiß sind, spielt dabei nicht die entscheidene Rolle, tatsächlich würde ich erfahrungsmäßig jedoch sagen, dass es die heißen Speisen sind, die einen Koreaner erfrischen.
Die Brühe, die sich ergibt, wenn man Muscheln schlicht mit Wasser, Knoblauch, Frühlingszwiebeln und Chili kocht, ist ein sehr gutes Beispiel für eine erfrischende Speise. Dass Hitze Erfrischung verschafft, scheint mir ohnehin ein koreanisches Ding zu sein: die Sauna-Lust der Koreaner oder die typischerweise heiß-scharfen Speisen im Sommer sind die Beweise.
Schwitzen und Erfrischung hängen in Korea mehr zusammen als Abkühlung und Erfrischung. Das scheint auch eine Temperament-Frage und Thema für einen möglichen Psycho-Blog zu sein. Und wo wir gerade beim Thema sind: erfrischender als eine Coke ist in Korea auch ein Gläschen eiskalter Soju. Runterstürzen und "erfrischend!" sagen - das ist koreanisch.
Korea ist berühmt für seine scharfe Küche. Zu Recht. Gerichte so scharf zu machen, dass sie einem die Schuhe ausziehen, war eine Zeitlang sogar ein richtiger Trend, der durch die Erfindung von Buldak begründet wurde: fritiertes Hähnchen, das bis zur physischen Ungenießbarkeit verschärft wurde. Mindestens genauso typisch koreanisch sind für mich jedoch die geschmacklichen Leisetreter: Speisen, die so mild und zurückhaltend gewürzt sind, gerade weil man den feinen, natürlichen Geschmack seiner Zutaten erhalten möchte.
Meine Tante brachte einmal frische Kräuterseitlinge mit. Wir zupften sie in Streifen und dippten sie in gesalzenes Sesamöl - extrem einfach, extrem lecker.
Beispiele dieser Art gibt es so viele. Allerdings handelt es sich dabei meistens um Speisen, die einem als Koreabesucher nicht so um die Ohren gehauen werden, wie die - zugegebenermaßen fabelhaften - deftigen Klassiker.
Man sollte zum Beispiel einmal Kong-guksu ausprobieren. Eine Nudelsuppe, deren kalte Brühe aus gemahlenen Sojabohnen besteht. Außerdem liebe ich alle Sorten von koreanischem Reisbrei, juk. Juk sind durch die Bank weg mild. Weil sie so leicht und wohltuend sind, sind sie als Stärkungsgerichte für alte Menschen, Kinder und bei Krankheit sehr beliebt.
Das prominenteste Beispiel für die milde Küche Koreas ist mit Sicherheit die buddhistische Tempelküche. Der Verzicht auf scharfe Würze begründet sich religiös. Das ist auch ein kulinarischer Segen, denn die buddhistischen Tempel befinden sich stets auf Bergen, mitten in der Natur.
Die Gemüse und Kräuter, die in dieser Umgebung gesammelt und verarbeitet werden, schmecken so gut und intensiv, dass sie tatsächlich keines weiteren Tunings bedürfen.
Nussig und erdig. Wenn ich mich entscheiden müsste, welchen Geschmack ich für typisch koreanisch halte, würde ich den nussig-erdigen Geschmack nennen. Im Koreanischen unterscheidet man goso-hada (nussig) und gusu-hada (erdig). Ich finde es sehr schade, dass das erdig-nussige Thema so stiefmütterlich behandelt wird, denn ich liebe alles was goso und gusu ist! Auf diese Erkenntnis bin ich übrigens auch überhaupt erst durch die Beschäftigung mit der koreanischen Küche gekommen - und es lohnt sich, dieser Geschmacksrichtung nachzugehen, denn sie ist toll und lässt sich natürlich auch in anderen Länderküchen finden und genießen. Vor allem aber ist es meiner Meinung nach der Geschmack der Natur - und davon reden doch immer alle.
Was nussig ist, muss man wohl nicht genauer erklären. Nüsse, Samen, ... Getreide. Das alles schmeckt nussig, goso.
Bei "erdig" wird's schon ein wenig schwieriger. Im Falle der koreanischen Küche gehört die fermentierte Sojabohnenpaste Doen-jang zu den erdig schmeckenden Speisen, und es ist das leicht muffige Aroma der Fermentierung gemeint. Den Geschmack des fermentierten Reisweins Magkeolli bezeichnet man ebenfalls als gusu.
Der gusu-Geschmack ergibt sich typischerweist aber auch dann, wenn man Knochen sehr lange kocht. Es gibt einige Suppen, wie Seolleong-tang oder Gom-tang, für deren Brühe Knochen stunden-, beinahe tagelange gekocht werden. Diese Suppen würzt man sehr zurückhaltend, mit ein wenig Salz und Pfeffer, um den gusu-Geschmack zu erhalten.
Es ist schwierig den Begriff gusu ins Deutsche zu übersetzen. "Erdig" habe ich deshalb gewählt, weil es erstens tatsächlich eine erdige Note hat, zweitens aber die Koreaner den Begriff gusu mit Heimat, Landleben und dem warmem Gefühl von Speisen verbinden, die eine Mutter kocht.
Letzteres wiederum hat sehr viel mit dem Begriff jeong zu tun, ohne den koreanische Kultur gar nicht denkbar wäre. Jeong ist ebenfalls sehr schwer zu übersetzen, bedeutet aber sehr grob übersetzt so etwas wie Mitgefühl und beschreibt eine Haltung, die der Sorge um die jeweils andere Person stets größere Bedeutung beimisst als der um die eigene Person.
Koreanisch essen bedeutet für mich Jeong - denn zusammen zu essem, für jemanden zu kochen, oder von jemandem bekocht zu werden, ist in Korea immer mit jeong verbunden.
* war Grundnahrungsmittel. Als Korea noch arm war. Sehr interessant zu sehen, wie die Menge, die als eine Portion bertrachtet wird, innerhalb der letzten 30-40 Jahre praktisch auf Esslöffel-Größe zusammengeschrumpft ist. Bei meiner Großmutter stehen noch Reisschüsseln im Regal, deren Ausmaße mich schlicht umgehauen haben: gut dreimal so groß wie heute gebräuchliche Schüsseln. Als meine Mutter noch ein Kind war, gab es praktisch nichts anderes als Reis und Kimchi zu essen. Wenn überhaupt. Das hat sich heute geändert. Koreaner leben in einer absoluten Überflussgesellschaft. Es gibt einfach alles und von allem mehr als genug, - und somit keinen Grund, sich den Bauch mit Reis vollzuhauen. Es gibt eine Fülle an interessanteren und auch gesünderen Nahrungsmitteln. Wenn man in Korea essen geht, muss man sich den Reis übrigens explizit bestellen. Anders als früher wird er nicht mehr automatisch serviert, da er von den meisten eh kaum angerührt wird.